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Nordische Mythologie

Am Anfang waren Kälte und Hitze

Der Weg nach Norden Norway, Norwegen, Norge wurde immer als schwer zu finden
betrachtet, beschwerlich zu gehen und gepflastert mit unsäglichen Gefahren. Für die
Schriftsteller der Antike war Norwegen ein Märchenland Ultima Thule, bevölkert von wilden
Barbaren und voll von merkwürdigen und phantastischen Wesen.

Von Tor Åge Bringsværd

Der Grieche Pytheas erzählt (im 4. Jahrhundert v.Chr.) von einem Ort, an dem die Naturgesetze
nicht zu gelten scheinen, wo Erde und Wasser sich vermischen, und wo alles frei herumzuschweben
scheint. Und der berühmte Historiker Herodot klagt, es sei eigentlich gänzlich unmöglich,
irgendetwas von diesen nördlichen Gegenden zu beschreiben, weil man ganz einfach seine Hand
nicht vor Augen sehe. Das liege an all den weißen Federn, die einem ununterbrochen ins Gesicht
flögen, sagt er; die Luft sei voll von solchen weißen Federn, und sie lägen wie ein dichter Teppich
auf dem Erdboden. Vermutlich müssen wir diese Aussage als den ein wenig mißglückten Versuch
eines Südländers deuten, einen Schneesturm zu schildern... Es stimmt jedoch: Norwegen hat immer
schon mehr als genug Eis und Schnee gehabt. Ein großer Teil des Landes liegt nördlich des
Polarkreises. Und obwohl sich das Eis schon vor langer Zeit aus unseren Gegenden zurückgezogen
hat, dauerte die Eiszeit in Norwegen länger als an den meisten anderen Orten der Welt.
Auch das sogenannte "Heidentum" hielt sich hier im Norden länger als andernorts. Während das
übrige Europa bereits seit tausend Jahren christianisiert war, beteten wir hier oben weiterhin unsere
alten "heidnischen" Götter an.

Wikinger wurden sie genannt, die alten Norweger, die um das Jahr 1000 Europas Küsten unsicher
machten und Schrecken und Grauen bis nach London und Paris und weit ins Mittelmeergebiet
verbreiteten, die wilden und gnadenlosen "Barbaren", die nicht gerade einen großen Bogen machten,
um Kirchen und Klöster zu plündern... War ihnen denn nichts heilig? Was glaubten sie selbst, diese
blonden Seeräuber?

In diesem kurzen Artikel wird versucht, einen Umriß von der alten nordischen Mythologie zu
zeichnen so wie wir sie aus der Lieder-Edda kennen der mächtigen Götterdichtung, die vor
tausend Jahren entstand (niemand weiß, von wem), und die in isländischen Pergamenthandschriften
aus dem 13. Jahrhundert erhalten ist.

Haben diese alten Erzählungen auch für uns heute noch Bedeutung?

Mythen und Märchen werden nie inaktuell. Sie handeln nämlich nicht nur von "damals" und "zu der
Zeit". Genauso gut können sie von "jedesmal" und "zu allen Zeiten" berichten. Und die nordische
Mythologie gehört - meiner Meinung nach - ganz einfach zu den spannendsten, originalsten und den
am stärksten zum Nachdenken zwingenden Versuchen, die es überhaupt gibt, unsere innere und
äußere Wirklichkeit zu beschreiben mit Worten und poetischen Bildern Leben und Dasein
einzufangen.

Wie entstand die Welt?

Am Anfang waren Kälte und Hitze. Auf der einen Seite die Gegend Niflheim (Nebelheim) mit Frost
und Nebel. Auf der anderen Seite Muspellsheim, ein Meer von lodernden Flammen. Zwischen ihnen
war nichts. Nur eine große, gähnende Schlucht, Ginnungagap. Hier in dieser gewaltigen Leere
mitten zwischen Licht und Dunkel sollte alles Leben seinen Anfang nehmen. In der Begegnung
zwischen Eis und Feuer... Denn langsam begann der Schnee zu schmelzen, und geformt von der
Kälte, aber von der Hitze zum Leben erweckt, entstand ein seltsames Wesen der Frostriese Ymir.
Ein größerer Riese hat nie gelebt.

Da, wo das Eis schmolz, formten die Tropfen auch ein anderes Wesen eins mit Euter und Hörnern,
eine riesige Kuh. Sie hieß Audhumla. Ihre überreichliche Milch floß in mächtigen Strömen aus
ihren gewaltigen Zitzen. Auf diese Weise fand Ymir Nahrung. Aber wovon nährte sich die Kuh? Sie
beleckte die in ihrer und des Riesen Umgebung umherliegenden Eisblöcke, die salzig waren. Dann
aber geschah etwas Merkwürdiges: Als sie die Blöcke beleckte, kam aus einem von ihnen plötzlich
langes Menschenhaar hervor! Am nächsten Tag kamen ein Kopf mit einem Gesicht hervor! Und am
dritten Tag legte sie beim Lecken den ganzen Körper frei... Es war ein Mann. Er war hochgewachsen
und schön. Buri war sein Name - und von ihm stammen die Götter ab, die wir Asen nennen.
Der Riese Ymir bekam Kinder mit sich selbst. Als er schlief, fing er an zu schwitzen... und da wuchs
ihm unter seinem linken Arm Mann und Weib. Ymirs Beine wollten seinen Armen offensichtlich in
nichts nachstehen... seine Füße paarten sich, und ein Sohn mit sechs Köpfen wurde geboren. Das ist
der Ursprung der Geschlechter der Hrimthursen, die wir Trolle und Riesen nennen können, die wir
jedoch auch unter dem Namen Jöten kennen.
Den verschiedenen Geschöpfen muß es lange gelungen sein, in Frieden miteinander zu leben. Sie
bekamen jedenfalls Kinder miteinander... Odin er, der später aller Götter Oberhaupt wurde ist der
Sohn der Riesen-Tochter Bestla und von Bur, dem Sohn von Buri. Es wimmelt sozusagen von Jöten.
Und eines Tages üben Odin und seine Brüder Wili und We den Aufstand gegen Ymir und sein
Geschlecht. Es kommt zu einem schweren Kampf; Odin und seine Brüder aber siegen. Sie töten
Ymir und aus seinen Wunden ergießen sich Ströme von Blut über die Feinde der Asen, in denen sie
nahezu alle ertrinken... alle, bis auf zwei. Von diesem Riesen-Paar, das in die Nebelwelt flüchtet und
sich dort versteckt, stammen alle späteren Hrimthursen-Geschlechter ab... Auch Audhumla die erste
Kuh muß über die Kante in den Abgrund hinuntergespült worden sein, denn nach diesem Blutbad
hat nie wieder jemand von ihr gehört oder sie gar gesehen...

Die Asen schleppen den toten Ymir bis in die Mitte der Schlucht Ginnungagap in die große Leere.
Dort legen sie ihn wie einen Deckel über den Abgrund.
Hier erschaffen sie die Welt - aus der Leiche des Riesen.

Sein Blut wird zum Meer. Sein Fleisch zur Erde. Seine Gebeine werden zu Gebirgen und Klippen.
Die Zähne und zersplitterte Knochenreste werden zu Steinen und Geröll. Die Haare zu Bäumen und
Gras. Sein Gehirn werfen die Götter hoch in die Luft. Auf diese Weise entstehen die Wolken. Und
der Himmel? Er entsteht aus seiner Schädeldecke..., die sie wie ein Gewölbe, eine Kuppel über alles
Erschaffene stülpen. Danach fangen die Götter Funken aus dem heißen Muspellsheim ein und setzen
sie an den Himmel. Dort hängen sie jetzt und funkeln. Auf der Innenseite dessen, was einst des
Riesen Ymir Schädel war... So wurden die Sterne erschaffen.

Aus Ymirs Leiche kriechen kleine Würmer. Sie sind der Ursprung der Zwerge, der Unterirdischen,
die in Grotten und Höhlen leben. Die Asen wählen vier von ihnen, die das Himmelsgewölbe tragen,
die vier Ecken der Welt bewachen sollen. Diese Zwerge heißen: Osten, Westen, Norden und
Süden.

Auszug aus...